Kinder und Eltern protestieren gegen drohende Schließung der Stadtteilbibliothek

“Die Nordstadt braucht ihre Bücherei für die Gemeinschaft”

Etwa 80 Kinder und Eltern haben im Stadtbezirksrat ihren Protest gegen die drohende Schließung der Nordstadtbibliothek ausgedrückt. Dutzende Kinder haben ganz cool ihre Argumente vorgetragen. Stadtbezirksbürgermeister Florian Beyer zeigt sich schon vom Anblick der großen Gruppe beeindruckt. Er sorgt mit seiner unkonventionellen Sitzungsleitung dafür, dass möglichst viele Kinder zu Wort kommen. Eingangs versichert er, dass zwar heute keine Entscheidung getroffen werde, dass dafür auch der Rat der Stadt und nicht der Bezirksrat zuständig sei, dass aber alle Fraktionen im Bezirksrat Nord für den Fortbestand der Bücherei eintreten. Vier Kinder ...

Im voll besetzten Hodlersaal des Rathauses am Trammplatz hört der Stadtbezirksrat den Protest von Kindern und Eltern gegen den Vorschlag der Stadtverwaltung, die Nordstadtbücherei zu schließen. Aufnahme bk

...aus der Klasse 3A der Grundschule Uhlandstraße eröffnen den Reigen, indem sie mit verteilten Rollen ihren Protestbrief an Oberbürgermeister Belit Onay vorlesen. „Wir brauchen sie zum Lesen, zum Lernen, zum Spielen und um Freunde zu treffen. Die Nordstadt braucht ihre Bücherei für die Gemeinschaft,“ stellen sie fest und erhalten tosenden Beifall.

Aus der Klasse 3A der Grundschule Uhlandstraße haben Noha, Lina, Mathis und Rafael die Aufgabe übernommen, den Protestbrief an Oberbürgermeister Onay vorzulesen.

Kinder aus der Klasse 7 der Lutherschule halten sich fast als einzige formal an die Bitte von Bezirksbürgermeister Beyer, in dieser „Einwohner*innenfragestunde“ möglichst am Ende der Wortmeldung eine Frage zu stellen. Sie wollen wissen: „Was können wir tun, damit die Bücherei erhalten bleibt?“

Die meisten Kinder bleiben in ihren bemerkenswert selbstbewussten, kurzen Vorträgen bei eindeutigen Argumenten. Zum Beispiel stellt ein Kind fest, die Bücherei gehöre zum Leben wie die Schule, wenn sie geschlossen werde, sei das, als fehle ein Teil im Puzzle. Ein anderes Kind meint, Bücher leihen sei viel besser für die Umwelt als Bücher kaufen – was Florian Beyer zur Zwischenbemerkung veranlasst, "das ist ein wichtiger Punkt.“

Eltern haben darauf hingewiesen, dass die Stadtbibliotheken im vorigen Jahr zu „Kinderschutzinseln“ erklärt worden sind. Damit sollte Kindern, die sich in Notlagen befinden, eine Anlaufstelle geboten werden, die könne doch nicht einfach wieder geschlossen werden. Beyer ließ auch alle Wortmeldungen aus dem Stadtbezirksrat zu. Damit ist dem Publikum eindeutig vermittelt worden, dass es in der örtlichen Politik uneingeschränkte Unterstützung für den Kampf um die Bücherei gibt. Und Yvonne Marchewitz (Bündnis 90/Die Grünen) hat sogar eine konkrete Antwort auf die Frage, was Kinder tun können: Sie regt an, dass jetzt besonders viele Leute ein Jahresabo (kostet für Erwachsene für 24 Euro, ist für Kinder kostenfrei) buchen, womit sie ihre Verbundenheit mit der Einrichtung zeigen und zugleich die Einnahmen der Stadtteilbücherei verbessern.

Diese Anregung haben mehrere Leute vorgebracht: In Zeiten besonders sparsamer Haushaltsführung solle der Rat nicht nur Ausgaben kürzen, sondern auch schauen, wie Einnahmen erhöht werden könnten. Die Stadtverwaltung hat jedenfalls auf der Basis des Ratsbeschlusses zum Haushaltsanierungskonzept (HSK) jetzt die Aufgabe, konkrete Kürzungen vorzuschlagen. Für den Kulturetat müssen demnach jährlich 500.000 Euro im Betrieb der Bibliotheken gestrichen werden. In Abwägung aller Standorte kommt die Stadtverwaltung zu dem Plan, sowohl in der Nordstadt als auch in der Südstadt die Stadtteilbibliotheken zu schließen.

Protestbrief an Oberbürgermeister Onay

Nach der Fragestunde arbeitete der Stadtbezirksrat in weiteren zwei Beratungsstunden seine Tagesordnung ab. Am Ende haben CDU und FDP in ihrem "Dringlichkeitsantrag" vorgeschlagen, die Nordstadtbücherei zu erhalten und weiter auszubauen. Die SPD hat darauf hingewiesen, dass es eigentlich Ziel der Kommunalpolitik sein müsse, alle städtischen Bibliotheken zu erhalten und deshalb vorgeschlagen, die Empfehlung von CDU und FDP etwas zu modifizieren.

In der kurzen Aussprache haben alle Fraktion ihre Bedenken zu einzelnen Fragen zurückgestellt und einen gemeinsamen Antrag formuliert. Sie haben beschlossen, dass der Stadtbezirksrat die Verwaltung und den Rat der Stadt auffordert, im Etat für Bibliotheken kein Geld zu kürzen und den Fehlbetrag „in anderen Fachbereichen“ auszugleichen. Das ist als interfraktioneller Antrag einstimmig beschlossen worden. Übrigens waren da noch sechs Leute im Publikum.

Eigener Bericht und Fotos bk